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Arnold Ruge

Der Publizist Arnold Ruge - ein Vorkämpfer für die Demokratie

Wikipedia-Eintrag zu Arnold Ruge

zwei ARTus-Kolumnen, die wunderbar zusammenpassen, nicht nur im Zeichnungsstil:
Aus früherer Zeit - Der Herbst kommt

Gedenktafel für Arnold Ruge in Bergen auf Rügen, Markt 17. Sein Geburtshaus an gleicher Stelle, das Haus seiner Cousine, wurde Anfang der 1990er Jahre leider abgerissen (links)

Blick auf das Hofgut in Bisdamitz, das Christoph Arnold Ruge, der Vater von Arnold Ruge, gepachtet hatte, und auf dem Arnold mit seinen Geschwistern aufwuchs. Auch das ursprüngliche Gutshaus existiert infolge eines Brandes Anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr. (unten links)

Der idyllische Weiler Rugeshus in einer Liete am Steilufer bei Nardevitz wurde von Nachkommen von Geschwistern Arnolds, die auf Rügen geblieben sind, angelegt. Sozusagen die neuzeitliche Variante von Wislaweshaghen. (unten rechts)

Die vierbändigen Lebenserinnerungen Arnold Ruges „Aus früherer Zeit” werden gegenwärtig bei Hansebooks.com als Broschur mit vergrößertem Fraktur-Originalschriftsatz reproduziert. Der erste Band beinhaltet die Kindheits- und Jugendzeit auf Rügen, in Langenhanshagen und Stralsund und endet mit der Fahrt zum Studium nach Halle.
Zurzeit lese ich den zweiten Band über seine Studienzeit. Eine Rezension zu den Büchern werde ich zur gegebenen Zeit hier hineinstellen. Für den Einstieg in Person und Werk von Arnold Ruge kann ich diese vier neu aufgelegten Bücher nur empfehlen.

Aus früherer Zeit - Erster Band
Aus früherer Zeit - Zweiter Band
Aus früherer Zeit - Dritter Band
Aus früherer Zeit - Vierter Band

Meine ersten Eindrücke: Arnolds Erinnerungen lassen sich sehr angenehm lesen, sind überhaupt nicht altmodisch oder verquastet. Sehr humorvoll und offen schreibt er über seine Familienverhältnisse, das Leben auf dem Gutshof und sein eigenes Leben, auch über seine „Missetaten” und über die gesellschaftlichen und geografischen Verhältnisse der damaligen Zeit mit ihren Umbrüchen. Moderne politische Ansichten treffen sich da mit fast noch mittelalterlich anmutenden Zuständen, wie, dass es noch Mägde und Knechte gibt und Arnolds Vater mit „Herr” angesprochen wird. Ich bin erstaunt, was er in der Zeit nach 1860, als er diese Bände geschrieben hatte, alles noch so detailreich gewusst hatte. Dass ein Vetter in Stralsund noch eine „Zopfperücke” (vermutlich mit Dreispitz) getragen hatte, kontrastiert z.B. ganz lustig mit dem doch sehr modernen und verständlichen Originaltext. Manche Passagen erinnern mich sogar an Wizlaws Denkwelt. Arnold Ruge hatte als Publizist und als linker Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung sehr viel für die Demokratie getan. Sein späterer Dissens sowohl zu politischen Ansichten von Arndt, als auch von Marx, ließ ihn - der sich zeitlebens als einen „rügenschen Bauernjungen“ gesehen hatte - bisher wohl „zwischen allen Stühlen sitzen“. Die DDR tat sich schwer mit Ruge und auch heute scheint er fast vergessen zu sein.

Wie schwer es war, zu Beginn des 19. Jahrhunderts den jahrhundertelang verinnerlichten Feudalismus abzuschaffen, und zu welchem Trick der Vater Arnolds dabei greifen musste, zeigen beispielhaft und humorvoll die Kapitel 24 und 25 des Ersten Bandes (Schreibweise des Textes entsprechend des Originals - “Aus früherer Zeit. Von Arnold Ruge. Erster Band. Berlin. Verlag von Franz Duncker. 1862.” S. 63-68):

24. Die Wohnungen der Leute.

1. Dieser feine Unterschied der Kleider deutet ohne Zweifel auf eine verfeinerte Sitte, während andere Gebräuche jener Zeit uns jetzt wohl schon ein wenig urweltlich vorkommen. So erinnere ich mich, daß an Festtagen die Zimmer mit weißem Sande ausgeworfen und die Stühle und Tische an den Wänden umher mit Wachholder (“Knirk”) umlegt wurden. Der Wachholder wurde dazu in kleine Stückchen geschnitten, und verbreitete einen frischen Duft über die Zimmer. Wenn aber getanzt werden sollte, kehrte man allen Sand hinaus, und besprengte die Dielen ein wenig. Daß jedoch unser Nachbar, der Fähnrich, noch Lehmboden in seinen Zimmern hatte, und mit den Leuten an Einem Tische speiste, war eine Ausnahme von der Regel. Die Hofhäuser und die Schlösser waren gedielt. Die Bauernhäuser hingegen waren fast nie gedielt; dahin gehörten denn auch alle Häuser der Handwerker auf den Dörfern.
2. Eine Art Häuser, die noch tiefer steht, waren die Kathen. Dies sind die Wohnungen der Knechte und ihrer Familien, die nicht auf dem Hofe schlafen. Sie hatten in der Regel nur Ein Zimmer mit einem Ziegelofen; der Hausflur und die Küche nahmen den übrigen Raum ein. In dem einzigen Zimmer stand oft noch ein Webstuhl, und es ist mir selber ein Räthsel, wo dann die Familie noch Raum fand. Es ist mir aber noch sehr wohl im Gedächtniß, daß eine alte Frau, die lange meine Geschwister gewartet, zuletzt einen solchen Kathen bezog und zur großen Belustigung ihrer kleinen Gäste ein Schweinchen in der Ecke hatte, das sie dort mästete. Die Frau war konservativ. Sie hatte das Thierchen in der Stube, weil das eine alte Sitte war, während sie es leicht passender hätte unterbringen können, da sie allein in dem Häuschen wohnte. Eine Kuh hatte jeder Kathenbewohner auf dem Hofe. Für die Wohnung und die Kuh kamen die Frauen der Käthner einmal in der Woche zu Hofe, und halfen in der Arbeit, meist beim Waschen und Backen, oder in der Ernte, wo sie dann öfter kamen.
Dies war aber keine Leibeigenschaft mehr. Die Knechte wurden bezahlt, und alle waren freizügig; jedoch ist der Hofdienst und die ganze Kathen-Einrichtung noch ein Ueberbleibsel von der Leibeigenschaft.
3. Diese wurde durch die Schwedische Regierung in Pommern und Rügen viel früher aufgehoben, als in Mecklenburg. Die Leute pflegten noch bisweilen davon zu erzählen, sie nannten sie “Unterthänigkeit”; das Verhältniß war ihnen aber nur von ihren Eltern her bekannt.

25. Die Kossathen wollen hörig bleiben.

1. Der Graf Brahe, - ein Nachkomme des Generals Wrangel, dem die Güter auf Rügen nach dem Westphälischen Frieden geschenkt worden waren, die jetzt mein Vater verwaltete, - der Graf Brahe ging noch einen Schritt über die bloße Abschaffung der Leibeigenschaft hinaus, hob die Hof- und Frohndienste der Kossathen oder Halbbauern, die drei Pferde hatten, und damit auf dem Hofe arbeiten mußten, auf. Dieser Dienst war ein sehr beschwerlicher, da sie alle weit von dem Hofe, dem sie angehörten, entfernt wohnten, und sehr häufig eine Zeit in fremdem Dienst verloren, die ihnen sehr viel werth war, wie in der Erndte gutes trocknes Wetter; der Grundherr hob nun diese Frohnden mit einem Male ohne alle Entschädigung auf, und mein Vater hatte alle Kossathen der verschiedenen Güter um sich zu versammeln, um ihnen ihre Befreiung anzukündigen.
2. Meines Vaters Zimmer war mit den vorgeladenen Kossathen gänzlich angefüllt, und er erwartete lauter dankbare und glückliche Gesichter um sich zu sehn, als er das Abkommen des Grundherrn mit den Pächtern, und sodann die völlige Befreiung aller Kossathen von den Hof- und Frohndiensten vorgelesen und ihnen erklärt hatte, daß sie also von nun an freie Bauern wären und ganz ihre eignen Herren, wie er z. B. selber. Aber er hatte die Rechnung ohne seine Gäste gemacht. Einer schrie auf: “Das ist eine Hinterlist! Wir sollen um unser Altentheil betrogen werden! Wer soll uns Haus und Nahrung geben, wenn wir alt werden?” Und sogleich fielen eine Menge Stimmen ein: “Das thun wir nicht! Das lassen wir uns nicht gefallen! Es soll bleiben, wie es gewesen ist!”
Also ihr wollt nach wie vor den Hofdienst thun? fragte mein Vater.
“Ja, das wollen wir! Das ist unser Recht! Wir wollen bleiben was wir sind!”
Und es entstand ein wahrer Tumult im Zimmer, so daß niemand mehr ein Wort verstehen konnte. Es dauerte eine Weile, bis er sich gelegt hatte. Sie wollten nichts weiter hören, das sei schon schlimm genug.
Nun, sagte mein Vater ganz ruhig, ich habe euch auch weiter nichts zu sagen; und wenn euch wieder Hofdienst angesagt wird, so könnt ihr ja hinziehn und ihn leisten. Geht nun nur nach Hause und betreibt eure Wirthschaft wie bisher. Wenn Einer von euch sich zu beschweren hat, so kann er immer zu mir kommen.
“Wir wissen, Herr, sagte dann Einer aus dem Haufen, daß Sie es gut mit uns meinen; aber dem Dinge da (auf die Schrift zeigend) trauen wir nicht. Wir wollen nichts geändert haben. Es kann ja doch nur ärger werden!”
Ich glaube auch, erwiederte mein Vater ausweichend, daß es bleiben muß, wie es nun einmal ist; (damit meinte er die Aufhebung der Frohndienste.)
“Nun, wenn das ist, sind wir zufrieden”, riefen mehrere, und mein Vater entließ sie in dem Glauben, daß sie nach wie vor Fröhner wären.
Später kamen sie alle Einzeln wieder, wunderten sich, daß ihnen kein Hofdienst mehr angesagt würde, und fragten, ob es nur wirklich wahr wäre, daß man sie nicht von Haus und Hof jagen wolle. Es war nöthig, jeden Einzelnen über seine neue bessere Lage aufzuklären; in Wahrheit ließen sie sich nur befreien, weil sie es nicht hindern konnten.
3. Diejenigen, welche mir Schuld geben, ich hätte den Deutschen immer zu viel zugetraut, wissen nicht, wie früh ich ihr Talent, sich ihren Befreiern zu widersetzen, kennen gelernt.

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