Wappen der 'verbürgerlichten' Wizlawiden
Keine Bahn ist keine Lösung! - Erhalt der Bahnstrecke Velgast - Barth!
alle Besucher seit 2003:
Kostenloser Besucherzähler
Free counters!


powered by FreeFind
Tschüss Vattenfall! - Diese Website wurde mit sauberem Strom der EWS Schönau erstellt.
Fukushima mahnt: Alle AKWs abschalten!
Keinen Krieg! Nirgends!
Nie wieder Faschismus!
Hier gehts zu  Mittelalter Top 100
BuiltWithNOF
7. Kapitel

Wislaw und Witzlaw
– eine märchenhafte Rügener Geschichte –

aufgeschrieben 1474 vom Ritter Satko zu Saatel, übersetzt ins Neuhochdeutsche von Jens Ruge aus Hamburg ;-)

Kapitelübersicht:
1 Der freche Greif oder Ohne Witzlaw wäre alles sooo schön einfach!
2 Brautwerbung am Königshof oder Sonnige Aussichten für Wislaw
3 Der Weg in die Zukunft oder Unter der Last der Vergangenheit
4 Entscheidung auf dem Rugard oder Der falsche Alexander
5 Dem Tod entronnen oder Schicksalsschlag in Riga
6 Minnesang und Ritterspiel oder Die Hochzeit von Rujana
7 Im siebten Himmel oder Oh, liebliche Minne!

Brautwerbung am Königshof
oder

Sonnige Aussichten für Wislaw

Es ist ein wundervoller Tag als das Schiff mit Wislaw und Satko im Hafen unterhalb der dänischen Königsburg Vordingborg fest macht. Die Sonne bestrahlt die roten und gelben Backsteine der Burgmauer, und vor ihnen breitet sich ein quirliges Markttreiben aus. Vor allem die Fischer bieten ihren Fang feil. „Lass uns schnell noch auf diesem Markt umsehen, bevor wir auf die Burg ziehen. Hier gibt es bestimmt frisches Obst zu kaufen.”, so Wislaw.
Als sie schließlich durch das Tor reiten, staunen beide nicht schlecht darüber, dass auch in der Burg des Königs noch so viele Gebäude aus Holz sind. Der Burgvogt lässt die Pferde versorgen und weist ihnen den Weg zu dem Haus, in dem die Prinzessin Margarete die Freier empfangen wird. Satko sieht, dass sein Herr etwas Zuspruch notwendig hat: „Es wird schon, lieber Herr. Ihr schafft es und Ihr seht auch gut aus.” Damit hat der Knappe auch recht: Wislaw trägt eine modische Cotte, die eine Hälfte weinrot und die andere silbergrau, dazu Beinlinge, die nach Art der Slawen schräg gemustert sind. Sein bernsteinfarbenes Haar ziert ein silberner Schapelreif mit sieben Rosetten. Schnell zieht auch Satko seine Gugel vom Kopf und setzt sie nach Hofsitte wieder auf und hängt sich den Sack mit Wislaws Harfe über die Schulter. Eigentlich kann jetzt nichts mehr schief gehen...
Umso größer der Schreck, als sie den Vorraum zum Audienzzimmer der Prinzessin betreten. Da stehen bereits drei Bewerber. Einer davon, der eine Ritterrüstung trägt, die wohl besonders neuartig ist, denn so viele Eisenplatten daran haben beide noch nie gesehen, schreit: „Was wollt ihr hier? Wir sind schon drei Freier, und mehr als drei gibt es nicht! Das war schon immer so. Ein Vierter ist immer einer zu viel!” „Lasst, Ritter Grootmaul, der hat doch sowieso keine Chance, wie ärmlich der gekleidet ist.”, das meint einer, der in edlem, golddurchwirktem Brokat gehüllt ist und eine goldene Krone trägt. Und der Dritte im Bund, einer mit einem vergoldeten Lorbeerkranz auf dem Kopf und mit einer Nase, die er besonders nach oben rümpft: „Der ist doch nur dahergelaufen. Eine edle Abstammung hat der bestimmt nicht, zumindest keine, wie ich sie habe.” „Ja, ganz eindeutig ein Bauer.”, so der Eisenberg.
Jetzt wird die Tür geöffnet. Auf einer reich mit Schnitzwerk verzierten und gepolsterten Kastenbank sitzt die liebreizende Prinzessin in einem purpurfarbenem Kleid. Über ihren Schultern liegt ein kobaltblauer Mantel. „Tretet ein!”
Der Lorbeerbekränzte drängelt sich vor: „Natürlich steht nur mir, Prinz Julius-Augustus de Ponte Tevere, es zu, als Erster um Eure Hand anzuhalten, holde Prinzessin. Wer außer mir kann denn noch auf einen Stammbaum verweisen, der eintausenddreihundert Jahre alt ist und bis auf Julius Cäsar zurück reicht? Niemand! Nur ich kann die erste Wahl für Euch sein, denn nur mit mir werdet Ihr römische Kaiserin. Alle anderen werden Euch dann beneiden! Und schaut, welches erlesene Geschenk ich Euch mitgebracht habe: eine schwarze Perle, in Gold gefasst! Das ist das Wertvollste, was es je gab, und nur ich besitze sie. Nur alle hundert Jahre wird so eine Perle gefischt. Ich werde sie in Eure Krone einarbeiten lassen. Euch werden...” „Es reicht, Prinz Julius-Augustus!”, unterbricht Margarete den Redeschwall, sodass diesem beinah der vergoldete Lorbeerkranz herunter rutscht. „Glaubt Ihr wirklich, mir gefällt Eure Angeberei und Eure alberne Perle?” „Goldgefasste, schwarze...”, versucht er sie zu verbessern. „Ach, und wie oft und wie lange mussten denn Eure Fischer danach tauchen?” „Das ist doch egal. Hauptsache ich habe so ein wundervolles Geschenk für Euch.” „Es ist Euch egal?! Wisst Ihr was, Prinz Julius-Augustus, Ihr seid mir auch egal!”
„Ein langer Stammbaum reicht natürlich nicht aus, teure Prinzessin. Darf ich mich vorstellen: Prinz Ludwig von Burgund. Man ruft mich nicht zufällig ’den Reichen’, denn meine Familie ist wahrlich die reichste unter der Sonne.” „Und ihr glaubt, dass es mir auf Reichtum ankommt, Prinz?” „Sicher, wenn ich Euch verrate, dass bei uns nur die allerneueste Mode getragen wird und auserwähltes Geschmeide die Damen ziert. Ihr kennt es selbstverständlich noch nicht, edle Dame. Deshalb möchte ich Euch ein entsprechendes Verlobungsgeschenk bereiten. Seht her, nur mit diesem spitzen Hut, dazu einem hauchdünnen Seidenschleier, werdet Ihr als Herzogin, nein, Königin etwas her machen. Extra für Euch habe ich sogar eine goldene Krone einarbeiten lassen, denn Ihr werdet an meiner Seite Königin von Burgund werden.” „Ehrlich gesagt, mir gefällt mein Gebende eigentlich ganz gut. Ihr werdet sicherlich eine passende Frau finden, die sich gern Euren Plunder auf den Kopf setzt, der auch entsprechend hohl ist, um mit Euch nach immer mehr Reichtum zu lechzen.” „Ihr verschmäht mich und mein Geschenk? Dann bleibt doch in Eurem armen, kleinen, kalten Land!” „Nur zu gern und vor allem an der Seite eines gutherzigen Menschen. –
Wer seid Ihr, dass Ihr hier erscheint, als ob Ihr in den Krieg ziehen wollt?”, fragt Margarete mit deutlicher Empörung im Ton. „Da habt Ihr vollkommen recht, hochedle Prinzessin! Ich, Ritter Grootmaul von Dummbatz, werde noch heute mit einer Eroberung heimkehren!”, donnert dieser los und schlägt sich dabei mit der Eisenfaust auf die Eisenbrust, dass es nur so scheppert. „Und wie ich sehe, steht Euch auch der Sinn nach einem Mann wie mir. Einem Mann der Tat. Ich habe zwar keine schwarze Perle und auch sonst keine Reichtümer, aber dieses Schatzkästchen habe ich für Euch einem siebenköpfigen Drachen entrissen. Nur für Euch!” „Siebenköpfiger Drache – soll ich jetzt lachen oder weinen?” „Ich habe ihm jeden Kopf einzeln abgeschlagen!” Grootmaul macht die entsprechenden Bewegungen, dann öffnet er das Kästchen: „Seht selbst!” Er reicht es ihr, baut sich breitbeinig vor ihr auf und stemmt seine Fäuste in die Seiten: „Nun was ist? Seid Ihr überzeugt?” „Ich will nichts mehr von Euren Lügen hören! Und wehe, es stellt sich heraus, dass Ihr diese Sachen gestohlen habt! Verschwindet!”

Alle drei abgewiesen! Als Letzter darf nun Wislaw vor Margarete treten. Sollte ihm wirklich einmal im Leben Glück winken? Auf jedem Fall darf er jetzt nichts vom frechen Greifen Witzlaw erzählen, das glaubt ihm die Prinzessin sowieso nicht. Wie nicht anders zu erwarten, überhäufen ihn die hinausgeworfenen Freier mit beißendem Spott: „Sie wollte uns nicht. Nicht den mit dem ältesten Stammbaum!” „Nicht den Reichsten!” „Nicht den Mutigsten, Verwegensten, Ritterlichsten! Also will sie dich erst recht nicht!”
Unbeeindruckt davon verneigt sich Wislaw vor Margarete und kniet vor ihr nieder. Dann bietet er ihr das mit einem schön gewebten Tuch verhüllte Geschenk dar. Die Prinzessin ist neugierig: „Was habt Ihr denn unter diesem hübschen Deckchen versteckt, Herr Wislaw?” „Schaut selbst und lasst Euch überraschen, edle Dame!” Sie nimmt das Tuch weg. „Jetzt bin ich aber wirklich überrascht!”
„Ein Tontopf mit Obst! Du bist wirklich ein Bauer, Prinz Wislaw.” Die Häme der drei Verlierer ist deutlich zu hören. „Du kannst gleich wieder umkehren. So etwas will die Prinzessin bestimmt nicht.” Wislaw fahren die Gedanken durch den Kopf: ’Ich hab’s vermasselt! Es ist bestimmt nicht das richtige Geschenk.’
„Wie fein diese Schale doch gearbeitet ist! Und mit Verzierungen innen und außen.”, wird Wislaw aus seinen trüben Gedanken gerissen. Er weiß nicht recht, ob das jetzt Spott ist oder nicht. Egal, er muss da durch: „Ist sie nicht schön. Dort, wo wir unsere Burg haben, verstehen sich die Leute darauf, solch feine Schalen zu töpfern. Nirgendwo anders gibt es welche, die so gut gearbeitet sind.” „Und sie ist so praktisch: Man kann Obst hinein legen, Braten daraus anbieten und Suppe daraus löffeln. Sogar eine dicke Kerze kann darin brennen, ohne dass das Wachs vorbei fließt.” „Ja, und vor allem gefällt sie Euch! Aber schaut genauer hinein, da ist noch etwas drinnen versteckt.”
Jetzt hat sie es gefunden: Ein Silberkettchen mit einem in verschiedenen Gelb- und Rottönen glänzenden Amulett. „Wie wunderschön! Wie Eure Haare. Und solche Steine gibt es in Eurem Land?” „Wir nennen ihn Jantar oder Burnstein. Wenn das Meer wieder einmal sehr wild war, liegt er zuhauf am Strand und muss nur eingesammelt werden.” „Darin ist ja sogar etwas eingeschlossen. Es sieht aus wie ein Farn. Wie alt mag der wohl sein?” „Ich weiß nicht, aber bestimmt schon sehr alt.” „Erzählt mir von Eurem Land, Herr Wislaw! Und erhebt Euch!”
Mit einer Begeisterung nimmt er sie mit auf eine Reise durch seine Heimat, erzählt von den fleißigen Menschen verschiedener Sprache, von den schneeweißen Felsen am Meer, von der ersten Maisonne nach dem eiskalten Winter, von den Bodden und den Bergen. „Ja, auch richtige Berge gibt es bei uns. Ein Dorf mitten auf der Insel heißt sogar so. Aber die beiden Dörfer bei der Burg, in der wir seit ein paar Jahren wohnen, werden bald eine neue Stadt in ihrer Nachbarschaft haben.”

Wislaw singt für Margarete sein zartes Minnelied zu seiner Harfe

„Man erzählt, Ihr seid ein Minnesänger? So zeigt doch einmal Eure Kunst!” „Ein Minnesänger? Wie lächerlich! Wer ist denn heutzutage noch ein Minnesänger! Heute zählt nur noch, ordentlich draufzuhauen!”, fällt Grootmaul der Prinzessin ins Wort. Knappe Satko reicht seinem Herrn die Harfe und dieser setzt mit klarer Stimme an:

„Ich erwähle dich aus allen Frauen,
und seh’ dich lieblich vor meinen Augen.
Herzliebste, nur dich mag ich schauen,
voll Güte strahlend, wirst zur Liebe taugen.
Wer mag vergüten deine Güte?
Gott, der gute, dich stets behüte.
Das bedarf ich wohl, soll ich genesen
von deiner Minne. Mein Schwur ist’s gewesen.”

Zuerst deutsch, dann slawisch und schließlich dänisch.
„Ein wunderbares Lied!“, lobt Margarete den Sänger. Wislaw verneigt sich: „Euer Lob macht mich sehr glücklich!“ „Und Ihr könnt meine Sprache?” „Naja, um ehrlich zu sein: nein. Aber unsere Amme Botilde, das gute Herz, hat mir geholfen.” „Ach, der Wer-Weiß-Woher-Wislaw bekommt keine drei verschiedenen Strophen zusammen und lässt sich deshalb den Text übersetzen. Wie arm!”, höhnt der verhinderte Cäsar. „So arm, wie dieses Geschlecht auch sonst ist.”, legt der reiche Ludwig nach. Und Ritter Grootmaul: „Wie gesagt, eben ein Bauer.”
Jetzt platzt Margarete endgültig der Geduldsfaden: „ICH sehe hier nur EINEN Ritter, und das seid weder Ihr, Prinz Julius-Augustus, noch Ihr, Prinz Ludwig, und auch nicht Ihr, Herr Grootmaul! Aber Ihr, Ritter Wislaw, zeigt mir Euer schönes Land!”
Wislaw kann gar nicht fassen, wie hoch sein Herz plötzlich schlägt.

Wislaws dreisprachiges Minnelied

Und das, was ihr gerade gelesen habt, hat Wislaw in seinem Lied für Margarete gesungen.
Naja, um auch hier ehrlich zu sein: Nur die erste Strophe ist so überliefert. Die zweite und die dritte könnten aber durchaus so geklungen haben - auf
„stare polabane” (Altpolabisch) und auf „gammeldansk” (Altdänisch). Es sind jedoch meine Übersetzungs- und Nachdichtungsversuche mit Hilfe von Wörterbüchern, Sprachlehren und dem Internet, die hoffentlich einigermaßen richtig sind.

einige Hinweise zur Aussprache der Strophentexte (die Schriftart ist “GoticaBastard”):
gh = g (vielleicht etwas wie ein leichtes ch)
= s
z = s (stimmhaft, wie ein Bienensummen)
u mit Kringel darüber = uo
uv kann auch ein w sein
u kann auch ein v sein
v kann auch ein u sein
v = w (in der slawischen und der dänischen Strophe)
c = z (in der slawischen Strophe)
e mit zwei Punkten darüber = e (kurz, wie ein kurzes ä)
‚z, sz = sch
z mit Punkt darüber = sch (stimmhaft, wie in Journal)
th = th (wie im englischen the)
Æ = ä
o durchgestrichen = ö

Die Garzer Schale mit dem Obst und dem Bernsteinamulett seht ihr auf dem ersten Bild dieser Seite meiner Homepage.

[Start] [Jens Ruge] [Die Wizlawiden] [Minnesänger Wizlaw] [Rujana - Rügen] [Wislaw und Witzlaw] [Liebe Kinder!] [Links] [SiteMap] [Gästebuch] [Forum Ruyanorum]